Am Nachmittag des 2. Mai frage ich einen Berner Astrokollegen an, ob ich bei ihm ans diesjährige Frühlings-Teleskoptreffen auf die Ahornalp mitfahren könnte. Wir besprechen dabei natürlich auch die Wetterlage und sind uns schnell einig: Heute Freitagabend wird wohl keine Beobachtung möglich sein und den Auftakt des zweitägigen Anlasses würde daher ein gemütlichen Beisammensein im bekannten Restaurant bilden.
"Auch nicht dermassen schlimm" denken wir uns, kann man da doch gut essen und zu plaudern gibts immer allerhand. Wir vereinbaren also einen Zeitpunkt für die Hinreise und der Arbeitsnachmittag nimmt seinen Lauf. Entgegen der Wetterprognose zeigen sich am Himmel aber vermehrt blaue Löcher in der grauen Wolkendecke. Es hört zu regnen auf und die Sonne guckt durch die Wolkenlöcher. Doch noch beobachten? Zuhause lege ich mein Teleskop und etwas warme Bekleidung bereit. Thomas trifft kurze Zeit später ein und die Fahrt aufs Ahorn vergeht im Fluge; der nun fast vollständig blaue Himmel lässt Raum für Hoffnung. Auf dem Beobachtungsgelände treffen wir auf einige bekannte Gesichter. Man schaut mit ein paar kurzerhand aufgestellten Fernrohren die Sonne und rätselt über die Richtung, in welcher sich die vom Unterland aus unsichtbare, jetzt im Nordwesten liegende Wolkenbank weiterbewegen wird. Schnell ist klar, dass der Wetterfrosch letztendlich Recht behalten wird, denn die Sonne verschwindet Minuten später hinter dem Horizont der sich nähernden Wolkenbank. Das Restaurant kommt uns da gerade gelegen.
Wir erhalten den kleinen Saal zugewiesen, wo wir ungestört essen und unser Garn spinnen können. Ein Donnergrollen und erste Blitze zeugen von einem nahenden Unwetter. Zuerst ist es nur einer, dann wagen sich alle nach draussen und man beginnt damit, seine - heutzutage in Mode gekommene - Digitalkamera am Wettergeschehen zu testen. Die eine oder andere Aufnahme entsteht und auf den kleinen Monitoren kann man die dramatische Stimmung des Gewitters mit seinen durch Blitze erhellten Wolken betrachten, festgehalten in Bits und Bytes. Selber begeisterter Digitalfotographe ärgere ich mich über meine Unterlassungssünde; mein Pixelsammler schlummert zuhause im Schrank und ahnt nichts von alledem.
So, wie das Gewitter aufgekommen ist, zieht es ab, hinterlässt aber Regenschauer und die ergiessen sich kleinen Sturmbächen gleich von da, wo wir eigentlich lieber unsere Sterne sehen würden. Nach einem Dessert beschliessen wir den trotzdem schönen Abend und freuen uns auf morgen. Die Wetterprognosen versprechen uns einen klaren Tag und sagen vorher, dass sich allfällige Restbewölkung im Tageslauf auflösen werde.
Wolken schwimmen wie Wattebüusche in einem blauen Himmel. Langsam lösen sie sich auf und der Nachmittag bricht fast wolkenlos an. Um die Aufregung und die Vorfreude im Zaum zu halten, mache ich vom heimischen Balkon aus einige Aufnahmen der Sonne. Eine grosse Fleckengruppe gibt gutes Futter für die Webcam ab. Um etwa 18 Uhr holt mich Heinz ab; es geht wieder Richtung Ahorn.
Gegen 50 Astroamateure haben den Weg auf's Ahorn gefunden, fast alle Regionen der Deutschscheiz sind vertreten. Neben vielen Amateuren vom Emmental und dem Oberaargau sind diese angereist von Bern bis ins Bündnerland, von Basel nach Luzern und auch die fast vollständige, ehemalige Crew des legendären astro sapiens aus dem Raum Zürich ist anwesend.
Einige Unruhe lassen ebenfalls auf dem Gelände anwesende Funkamateure aufkommen, die sich tapfer daran versuchen, die Gehirne der nachtsichtgewohnten Amateure zum kochen und dampfen zu bringen. Die Unruhe legt sich aber im Laufe des Abends wieder, keiner der Amateure beginnt selber zu strahlen ;-).
Ausgiebige Diskussionen und wiederum Sonnenbeobachtungen lassen den späten Nachmittag schnell verstreichen. Die untergehende Sonne lässt einem aber wieder an ein sich allmählich bildendes Loch in der Magengegend erinnern, dass bei einigen Vergleiche mit einem kleinen Black hole aufkommen lässt. Nach dem Nachtessen, welches aufgrund des unerwartet grossen Besucheransturms etwas mehr Zeit beansprucht, beginnt trotz der leider aufgezogenen Zirruswolken die Beobachtungsnacht. Heuer können einige gute Dobsonians, beispielsweise von Obsession oder aus der Werkstatt der bekannten Ninja's bestaunt und auch probegesehen werden. Daneben sind Eigenbauten wie das sog. Riesenrohr der Astronomischen Jugendgruppe Bern (AJB) mit einer Öffnung von 45 Zentimetern oder das Gitterrohrungetüm von Stefan mit sagenhaften 20 Zoll auf dem Gelände anzutreffen.
Die Refraktorfraktion hält mit Leckerbissen von Takahashi oder Geräten von Borg, Vixen, SkyWatcher dagegen. Auch GPS gestützte High-Tech Maschinen wie ein NexStar 11 GPS von Celestron trifft man und kann - als wäre es die grösste Selbstverständlichkeit der Welt - einen Blick durch das eine oder andere Gerät werfen. Jeder Besucher erhält so einen Überblick der aktuellen Teleskoptechnik und kann sich seine Meinung im ungezwungenen Umfeld bilden. In Sachen Ausrüstung bildet für mich die heute erstmals gezeigte AYOdigi von AOK den Höhepunkt. Ich erhalte Gelegenheit, die kleine und feine Montierung selber zu benützen und nachdem ich einige Objekte ohne Mühe mit der Computerunterstützung gefunden habe wird für mich klar: "Das Ding muss ich haben!". Nur - wie bring ichs meinem Geldbeutel bei? Die nächsten Tage werden mir hoffentlich weiterhelfen.
Leider trüben die Zirruswolken den Beobachtungspass vorerst und so beschliesst eine Amateurgruppe aus der näheren Umgebung, den Heimweg anzutreten. Der danach nur langsam verklingende Unwillen der in ihrer Beobachtung Gestörten wird deutlich hörbar, als sie unerwartet ihre Ausrüstung im Scheinwerferlicht der Autos zur Seite räumen müssen, damit die Heimkehrer freie Durchfahrt erhalten. Die weiter Ausharrenden werden einige Zeit später belohnt. Von Südosten her klart es zuerst langsam auf und ab etwa. 02:30h - wir haben selber ebenfalls beinahe schon unsere ganze Ausrüstung verstaut - locken die Sterne der Sommermilchstrasse. Der Himmel ist nun sehr klar geworden und endlich so dunkel, wie man es sich eigentlich wünscht. Beat, bisher scheinbar nur Zaungast ohne eigenes Teleskop, greift dann nach kurzem Hin und Her entschlossen zu seinen 16-Zöller und stellt ihn in Windeseile auf und nun beginnt für das verbliebene Grüppchen der letzen etwa 10 Nachtschwärmer ein fast schon stressiger Ausflug mit dem obligaten "Schlangestehen" durch die schönsten DeepSky Objekte, welche zu so später Stunde im Zenit und Richtung Südhimmel anzutreffen sind. Der kommende Sommer lässt deutlich sichtbar grüssen.
Gegen vier Uhr beschliessen aber auch wir die Heimkehr; der Tag wird in Kürze anbrechen und die Müdigkeit macht sich bemerkbar. Als mich Heinz zu Hause absetzt, singen die Vögel ihre ersten Lieder in den blauen Morgenhimmel und ich komme nicht umhin zu bemerken, dass ich schon am Abend erwartet habe, es werde so enden, dies mich aber um Mitternacht nicht mehr getraut hätte zu erwähnen. Wieder einmal bleibt mir an dieser Stelle nur, allen zu danken, die den Anlass zu einem solchermassen schönen Erlebnis haben werden lassen. Besonderen Dank schulde ich meinen Astronomiekollegen Heinz und Thomas für die immer unkompliziert angebotenen Mitfahrgelegenheiten, ohne die ich das Hobby Astronomie in dieser schönen Form wohl schwerlich würde betreiben können.
Text und Fotos: Hansjörg Wälchli und Beat Kohler